VW hat offizielle Abgasmessungen seiner Diesel-Modelle in den USA mit einer speziellen Software manipuliert. Der Schwindel flog nun auf und jetzt drohen horrende Strafzahlungen und strafrechtliche Ermittlungen. Von einem möglichen massiven Imageschaden gar nicht erst zu sprechen. - Foto: Volkswagen
Wir schreiben Tag 1 nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals. Fast minütlich kommen weitere brisante Details ans Tageslicht, die dem zweitgrößten Autobauer der Welt wohl vor die größte Herausforderung in der Firmengeschichte stellen dürften. Den Wolfsburgern drohen Strafzahlungen in schwindelerregender Höhe, strafrechtliche Ermittlungen und ein immenser Imageschaden, von dem zum jetzigen Zeitpunkt noch keiner einzuschätzen weiß, welch weitgreifende Kreise dieser ziehen wird. Kurz gesagt: Droht VW der Totalschaden?

VW hat geschummelt wie andere auch, nur hat man sich dummerweise erwischen lassen. So lautet die landläufige Meinung zum Abgas-Skandal. Es ist wie beim zu schnell Fahren - der Blitzer muss ausgetrickst werden. Ein Kavaliersdelikt, und alle haben mitgemacht oder weggeschaut: Regierung und Kontrollbehörde, die bei VW einflussreichen Gewerkschaften und Betriebsräte, das Land Niedersachsen als Anteilseigner, die Chefs und die ach so tollen deutschen Ingenieure. Doch es geht nicht um ein bisschen Schummelei wegen Grenzwerten, die Umweltfanatiker willkürlich festgesetzt haben. Es geht um systematischen Betrug: 2014 lagen 62 Prozent der verkehrsnahen Messstellen in deutschen Städten über dem (moderaten) EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid. Feinstaub in der Luft verursacht jährlich zehntausende Todesfälle. Es zeugt von krimineller Energie, dies der Profite und Marktanteile wegen in Kauf zu nehmen.
Experten warnen schon jetzt vor möglichen Folgeschäden des Skandals: Allein in Deutschland könnten zahlreiche Jobs bei VW und vielen Zuliefern gefährdet sein. - Foto: Volkswagen
Die Quittung hat VW bereits jetzt dafür bekommen. Der gute Ruf ist dahin und an der Börse stürzte die VW-Aktie innerhalb von zwei Tagen fast ins bodenlose. Darüber hinaus drohen Bußgelder von bis zu 18 Milliarden Euro und damit nicht genug, auch mit Sammelklagen wird sich VW schon bald rumärgern dürfen: Erste gingen bereits am Montag ein. Außerdem drohen offenbar auch strafrechtliche Konsequenzen. Medienberichten zufolge ermittelt das US-Justizministerium, ob Volkswagen kriminelle Machenschaften vorzuwerfen sind.
Mit den Clean Disel Modellen wollte Volkswagen endlich in den USA und Kanada verlorenen Boden gut machen. Doch statt neue Kunden zu gewinnen hat man diese wohl nun auf Ewig mit manipulierten Abgasmessungen verkrault. Denn statt clean und sauber waren die Ausstoß unter realen Straßenverkehrsbedingungen bis zu 40 Mal höher als der Hersteller gegenüber den Behörden angegeben hatte. - Foto: Volkswagen
VW fuhr auf dem Nordamerikanischen Markt bislang weit hinterher. Mit den neuen ach so sauberen Clean Diesel Modellen sollte endlich der Marktanteil erobert werden, den es braucht, um das hoch gesteckte Ziel zu erreichen, bis 2018 der weltweit größte Autobauer zu sein. Diesen Titel werden die Wolfsburger sicherlich nun etwas nach hinten korrigieren müssen, denn in Nordamerika wird man wohl innerhalb kürzester Zeit den "Zorn" des Verbrauchers zu spüren bekommen. 2014 konnte Volkswagen in den USA gerade einmal 366.970 Autos an die Frau bzw. den Mann bringen. Der Anteil der "unsauberen" 2.0 TDI-Motoren - verbaut unter anderem im Passat, Jetta, Golf, Beetle und Audi A3 - lag dabei bei 20 bis 25 Prozent. Aufgrund des jetzt aufgeflogenen Skandals, ist es zumindest mehr als fraglich, dass der deutsche Autobauer auch in diesem Jahr an diese Zahlen anknüpfen wird können.

Der US-Chef von Volkswagen Michael Horn zeigte sich bei der Präsentation des neuen Passat in New York reumütig und räumte ein, das Unternehmen habe es mit den gefälschten Abgasuntersuchungen "total verbockt". "Wir waren unehrlich zur Umweltbehörde EPA, wir waren unehrlich zu den Behörden in Kalifornien und, am schlimmsten von allem, wir waren unehrlich zu unseren Kunden."
Selbiges gilt übrigens auch für VW-Chef Martin Winterkorn. Der 68-Jährige verpasste in einer Videobotschaft Spekulationen um einen möglichen Rücktritt einen Korb. "Ich entschuldige mich in aller Form bei unseren Kunden, den Behörden und der gesamten Öffentlichkeit für das Fehlverhalten". Es wäre falsch, "wenn wegen der schlimmen Fehler einiger weniger die harte und ehrliche Arbeit von 600.000 Menschen unter Generalverdacht gerät", sagte der Vorstandsvorsitzende in einem von Volkswagen veröffentlichten Video-Statement. "Das hat unsere Mannschaft nicht verdient. Auch deshalb bitten wir, bitte ich, um Ihr Vertrauen auf unserem weiteren Weg. Wir klären das auf!"
Die EPA fordert den Rückruf von einer halben Million Fahrzeugen. Weltweit könnten sogar bis zu 11 Millionen Autos davon betroffen sein. - Foto: Volkswagen
Die US-Umweltbehörde EPA fordert den Rückruf von rund 500.000 Autos, doch damit nicht genug, wie Volkswagen heute in einer offiziellen Pressemitteilung bannt gab, sind weit mehr Autos davon betroffen bzw. weisen Unregelmäßigkeiten auf, als bisher angenommen. So sollen weltweit nicht weniger als 11 Millionen Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 auffällig sein. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt.

Zur Abdeckung notwendiger Service-Maßnahmen und weiterer Anstrengungen, um das Vertrauen unserer Kunden zurück zu gewinnen, beabsichtigt Volkswagen, im 3. Quartal des laufenden Geschäftsjahres rund 6,5 Milliarden Euro ergebniswirksam zurückzustellen. Aufgrund der laufenden Untersuchungen unterliegt der angenommene Betrag Einschätzungsrisiken. Die Ergebnisziele des Konzerns für das Jahr 2015 werden entsprechend angepasst.

Nach Bekanntwerden des Skandals in den USA haben nun auch andere Länder Ermittlungen und Untersuchungen angekündigt. Ein Sprecher vom Verkehrsministerium in Großbritannien kündigte ein konsequentes Vorgehen gegen Fahrzeuge mit manipulierten Abgaswerten an. Alle Autos, die gegen die EU-Vorschriften verstoßen, würden aus dem Verkehr gezogen werden. Ähnlich sieht es auch die südkoreanische Regierung. Die südkoreanische Umweltministerin will Dieselfahrzeuge von VW und Audi überprüfen lassen. Dabei soll von rund 4000 bis 5000 Jetta, Golf und Audi A3-Modellen der Schadstoffausstoß überprüft werden und wenn die Behörden dabei "Probleme in den VW-Dieselwagen finden, könnte die Untersuchung auf alle deutschen Dieselwagen ausgeweitet werden."

Auch in der Schweiz wurde bereits eine Überprüfung in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis in wenigen Tagen vorliegen soll und auch in Australien wird die Entwicklungen in der Affäre gerade sehr genau verfolgt. "Das Ministerium verlangt Aufklärung von VW, ob in Australien verkaufte Modelle eine ähnliche Software nutzen wie die Modelle in den USA", teilte das DOI mit.

Durch den Skandal stellt sich nun die Systemfrage: Kann die deutsche Autoindustrie einfach weitermachen mit ihrer Strategie, auf schwere, leistungsstarke Diesel mit hohen Emissionen zu setzen? Das Problem ist, dass die Konzerne keinen Plan B kennen - Umweltauflagen sind geschäftsschädigend und mit allen Mitteln zu umgehen. Deshalb wird es ein paar Bauern- und Prinzenopfer hier, ein paar Kontrollen da geben und auf schnelles Vergessen gehofft. Das kann gelingen, wenn die Politik mitspielt. Und die hat noch immer die schützende Hand über VW & Co. gehalten. 
Daniel L

Daniel L

Seit dem Kleinkindalter vom Automobil- und Motorsport-Virus infiziert. Seit 2009 Blogger und seit September 2011 Betreiber dieses Blogs. Kommentare zu meinen Artikeln sind immer gerne gesehen und wer Fragen hat, erreicht mich am besten per E-Mail

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