VW hat geschummelt wie andere auch, nur hat man sich dummerweise erwischen lassen. So lautet die landläufige Meinung zum Abgas-Skandal. Es ist wie beim zu schnell Fahren - der Blitzer muss ausgetrickst werden. Ein Kavaliersdelikt, und alle haben mitgemacht oder weggeschaut: Regierung und Kontrollbehörde, die bei VW einflussreichen Gewerkschaften und Betriebsräte, das Land Niedersachsen als Anteilseigner, die Chefs und die ach so tollen deutschen Ingenieure. Doch es geht nicht um ein bisschen Schummelei wegen Grenzwerten, die Umweltfanatiker willkürlich festgesetzt haben. Es geht um systematischen Betrug: 2014 lagen 62 Prozent der verkehrsnahen Messstellen in deutschen Städten über dem (moderaten) EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid. Feinstaub in der Luft verursacht jährlich zehntausende Todesfälle. Es zeugt von krimineller Energie, dies der Profite und Marktanteile wegen in Kauf zu nehmen.
Experten warnen schon jetzt vor möglichen Folgeschäden des Skandals: Allein in Deutschland könnten zahlreiche Jobs bei VW und vielen Zuliefern gefährdet sein. - Foto: Volkswagen |
Der US-Chef von Volkswagen Michael Horn zeigte sich bei der Präsentation des neuen Passat in New York reumütig und räumte ein, das Unternehmen habe es mit den gefälschten Abgasuntersuchungen "total verbockt". "Wir waren unehrlich zur Umweltbehörde EPA, wir waren unehrlich zu den Behörden in Kalifornien und, am schlimmsten von allem, wir waren unehrlich zu unseren Kunden."
Selbiges gilt übrigens auch für VW-Chef Martin Winterkorn. Der 68-Jährige verpasste in einer Videobotschaft Spekulationen um einen möglichen Rücktritt einen Korb. "Ich entschuldige mich in aller Form bei unseren Kunden, den Behörden und der gesamten Öffentlichkeit für das Fehlverhalten". Es wäre falsch, "wenn wegen der schlimmen Fehler einiger weniger die harte und ehrliche Arbeit von 600.000 Menschen unter Generalverdacht gerät", sagte der Vorstandsvorsitzende in einem von Volkswagen veröffentlichten Video-Statement. "Das hat unsere Mannschaft nicht verdient. Auch deshalb bitten wir, bitte ich, um Ihr Vertrauen auf unserem weiteren Weg. Wir klären das auf!"
Die EPA fordert den Rückruf von einer halben Million Fahrzeugen. Weltweit könnten sogar bis zu 11 Millionen Autos davon betroffen sein. - Foto: Volkswagen |
Zur Abdeckung notwendiger Service-Maßnahmen und weiterer Anstrengungen, um das Vertrauen unserer Kunden zurück zu gewinnen, beabsichtigt Volkswagen, im 3. Quartal des laufenden Geschäftsjahres rund 6,5 Milliarden Euro ergebniswirksam zurückzustellen. Aufgrund der laufenden Untersuchungen unterliegt der angenommene Betrag Einschätzungsrisiken. Die Ergebnisziele des Konzerns für das Jahr 2015 werden entsprechend angepasst.
Nach Bekanntwerden des Skandals in den USA haben nun auch andere Länder Ermittlungen und Untersuchungen angekündigt. Ein Sprecher vom Verkehrsministerium in Großbritannien kündigte ein konsequentes Vorgehen gegen Fahrzeuge mit manipulierten Abgaswerten an. Alle Autos, die gegen die EU-Vorschriften verstoßen, würden aus dem Verkehr gezogen werden. Ähnlich sieht es auch die südkoreanische Regierung. Die südkoreanische Umweltministerin will Dieselfahrzeuge von VW und Audi überprüfen lassen. Dabei soll von rund 4000 bis 5000 Jetta, Golf und Audi A3-Modellen der Schadstoffausstoß überprüft werden und wenn die Behörden dabei "Probleme in den VW-Dieselwagen finden, könnte die Untersuchung auf alle deutschen Dieselwagen ausgeweitet werden."
Auch in der Schweiz wurde bereits eine Überprüfung in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis in wenigen Tagen vorliegen soll und auch in Australien wird die Entwicklungen in der Affäre gerade sehr genau verfolgt. "Das Ministerium verlangt Aufklärung von VW, ob in Australien verkaufte Modelle eine ähnliche Software nutzen wie die Modelle in den USA", teilte das DOI mit.
Durch den Skandal stellt sich nun die Systemfrage: Kann die deutsche Autoindustrie einfach weitermachen mit ihrer Strategie, auf schwere, leistungsstarke Diesel mit hohen Emissionen zu setzen? Das Problem ist, dass die Konzerne keinen Plan B kennen - Umweltauflagen sind geschäftsschädigend und mit allen Mitteln zu umgehen. Deshalb wird es ein paar Bauern- und Prinzenopfer hier, ein paar Kontrollen da geben und auf schnelles Vergessen gehofft. Das kann gelingen, wenn die Politik mitspielt. Und die hat noch immer die schützende Hand über VW & Co. gehalten.
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